Ein Koalitionsvertrag für Europa - Fangen wir an.
Niedersachsen
8.12.21

Ein Koalitionsvertrag für Europa - Fangen wir an.

Am vergangenen Sonntag hatte ich das Privileg, das zweite Mal in meiner Zeit als FDP-Mitglied über einen Koalitionsvertrag im Bund abzustimmen. So ein Parteitag ist immer etwas besonderes, doch dieser war es in vielerlei Hinsicht

Große Aufgaben, große Herausforderungen liegen vor uns und unserem Land. Wir werden diese angehen müssen, in einer Konstellation, die für uns neu ist. Der Geist, der die Zusammenarbeit bislang geprägt hat, macht Mut. Die Zusammenarbeit war und ist geprägt von Respekt, Vertrauen, Mut und dem gemeinsamen Wunsch nach Aufbruch und Erneuerung.

Dies zeigt sich deutlich in den europapolitischen Forderungen, wie z. B. der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Aber auch große liberale Projekte, wie der Ausbau von Europol zu einem europäischen Kriminalamt, haben Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden.

„Politische Aufgaben nicht nur national, sondern europäisch denken.“

Wir haben am vergangenen Sonntag nicht nur einer Trendwende in unserem Land zugestimmt, sondern auch in der Europäischen Union. Selten hat Europa einen so großen Stellenwert in einem Koalitionsvertrag gehabt. Viele Politikfelder werden nun nicht mehr nur national gedacht, sondern europäisch.

Gerade bei der großen Aufgabe des Klimaschutzes war dies wichtig und notwendig. Es hat mich gefreut, dass der Klimaschutz nunmehr nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern eben auch europäisch gedacht wird. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Erarbeitung einer Industriestrategie, die in Verbindung mit dem European Green Deal in eine europäische Lösung eingebettet werden soll und durch geeignete Maßnahmen Carbon Leakage verhindert. Außerdem sieht die Ampel-Koalition die Einführung eines europaweit wirksamen Co2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbarer Instrumente vor.

„Wir wollen mehr Fortschritt wagen“

Unter dieser Überschrift kann man die Vereinbarungen zum Thema Wasserstoff zusammenfassen: Die Ampelkoalition hat beschlossen, sich für für die Gründung einer Europäischen Union für Wasserstoff einzusetzen. Um bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu werden, soll das IPCEI schnell umgesetzt werden und in die Investitionen in den Aufbau einer Wasserstofnetzagentur finanziell gefördert werden. Darüber hinaus plant die Ampelkoalition die Elektrolyseleistung deutlich zu erhöhen und europäische und internationale Klima- und Energiepartnerschaften für klimaneutralen Wasserstoff voranzutreiben. Genauso wie Quoten für grünen Wasserstoff in der örtlichen Beschaffung eingeführt werden sollen, um Leitmärkte zu schaffen. Besonders begrüße ich, dass der Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzt werden soll.

Diese politische Agenda des Aufbruchs ist wichtig, um schnell den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Fortschritt und Technologie sind dabei unsere stärksten Verbündeten. Auch die Europäische Union zu nutzen, um mit europäischen Partnern für eine Initiative zur Gründung eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs mit einem einheitlichen CO2-Mindestpreis und einem gemeinsamen CO2-Grenzausgleich ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung eines globalen und nachhaltigen Klimaschutzes.

„Asyl- und Migrationspolitik muss europäisch, fair und geordnet sein.“

Wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit und meines politischen Engagements ist der Einsatz für eine faire und humane europäische Asyl- und Migrationspolitik. In Europa scheitern wir dabei immer an der Boykotthaltung einiger osteuropäischer Staaten. Zu wissen, dass sich die neue Regierung nun ernsthaft und nachhaltig dieses Thema angehen will, macht mir Hoffnung. Auch die unzumutbaren Zustände und zunehmend illegalen Zurückweisungen (Push-backs) an den europäischen Außengrenzen sollen beendet werden.

Deutschland ist ein starker und wichtiger Verhandler und eine klare Positionierung und Forderung der deutschen Bundesregierung ist entscheidend, wenn der Stillstand in der europäischen Union beendet werden soll.

„Deutschland „als Role-Model“ einer fairen und geordneten Asyl- und Migrationspolitik“

Wichtig ist auch, dass die neue deutsche Bundesregierung nicht nur europäisch verhandeln will, sondern auch als Role-Modell für eine geordnete und faire Asyl- und Migrationspolitik vorangeht. So sieht der Koalitionsvertrag vor, dass die Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedstaaten vorangetrieben wird und aktiv dazu beigetragen werden soll, dass andere EU-Staaten mehr Verantwortung übernehmen und EU-Recht eingehalten wird.

Weitere wichtige liberale Forderungen im Koalitionsvertrag sind:

• Frontex soll auf Grundlage der Menschenrechte und des erteilten Mandats zu einer echten EU-Grenzschutzagentur weiterentwickelt werden

• Frontex soll sich im Rahmen des Mandats bei der Seenotrettung aktiv beteiligen.

• Die Sekundärmigration in der EU soll reduziert werden: Dazu soll der Missbrauch der visafreien Reise verhindern werden.

• Anstrebung einer staatlich koordinierten und europäisch getragenen Seenotrettung im Mittelmeer. Dazu sollen mit mehr Ländern Maßnahmen wie der Malta- Mechanismus entwickelt werden.

• Aufnahme- und Transitländer von Geflüchteten sollen dauerhaft unterstützt werde.

• Geordneten Verfahren des Resettlement anhand der vom UNHCR gemeldeten Bedarfe werden verstärkt.

Wir wollen keine Binnengrenzen im Schengenraum

Dies alles ist wichtig, um eine der wichtigsten Errungenschaften zu sichern: Die Freizügigkeit im Schengenraum. Doch nicht nur die ungeordnete europäische Migrationspolitik gefährdet diesen. Auch die Reaktionen auf die Corona-Pandemie haben an unserem Bekenntnis zum Schengenabkommen gerüttelt.

Die Ampelkoalition stellt hingegen im Koalitionsvertrag klar, dass die Integrität des Schengenraums wieder hergestellt werden muss und Ausnahmeregelungen restriktiver und nicht ohne Konsultationen unserer europäischen Partner genutzt werden können. Wichtig ist dabei auch, dass bei zukünftigen Erweiterungen des Schengenraums neben den bestehenden Sicherheitskriterien auch besonderes Augenmerk auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und humanitäre Standards gelegt werden soll.

„Europa wird von dieser Bundesregierung profitieren“

Ich bin mir sicher, Europa wird von dieser neuen Bundesregierung profitieren. Die Ampelkoalition hat eine Vision für Europa: ein föderaler europäischer Bundesstaat. In dem nicht nur mehr Fortschritt gewagt wird, sondern auch mehr Demokratie. Denn eine weitere zentrale Forderung, die ich seit jeher unterstütze ist, dass das Europäische Parlament endlich ein Initiativrecht erhält und damit deutlich gestärkt wird.

Ich bin gespannt und voller Optimismus hinsichtlich der nächsten 4 Jahre. Fangen wir an!

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