Europa braucht jetzt eine Zukunfts-Ratspräsidentschaft
Niedersachsen
11.6.20

Europa braucht jetzt eine Zukunfts-Ratspräsidentschaft

Im Juli 2020 übernimmt Deutschland für 6 Monate die Präsidentschaft im Europäischen Rat. An die Ratspräsidentschaft sind große Erwartungen geknüpft. Deutschland ist das größte Mitgliedsland der Europäischen Union, verfügt über die strukturellen und personellen Ressourcen sowie das notwendige Gewicht, um politische Führung zu zeigen und dem europäischen Integrationsprozess neue Impulse zu geben. Die ursprünglichen Pläne wurden durch die Corona-Pandemie ordentlich durcheinander gewirbelt. Deutschland und Europa befinden sich inmitten einer der schwersten Krisen seit Ende des zweiten Weltkrieges. Umso wichtiger ist es jetzt in der deutschen Ratspräsidentschaft die Weichen richtig zu stellen.  

"Statt Demonstration von Solidarität mit den Nachbarn verlor sich die Europäische Union im nationalstaatlichen Klein."

Europa stand bereits vor Beginn der Corona-Krise vor zahlreichenHerausforderungen. Das Problem sehen wir nicht nur auf nationaler Ebene, wo auf einmal über Anerkennung und Bezahlung von Pflegekräften debattiert wird, sondern auch in Europa. Wir mussten zu Beginn der Corona-Krise schmerzlicherleben, dass Solidarität bei der Versorgung mit Gesundheitsgütern Grenzen hat. Abschottungen auf nationaler Ebene und ein vor dem Kollaps stehendereuropäischer Binnenmarkt waren an der Tagesordnung. Statt Demonstration von Solidarität mit den Nachbarn verlor sich die Europäische Union imnationalstaatlichen Klein.  

Gegenwärtig liegt die Aufmerksamkeit auf der Bewältigung der Corona-Pandemie, die Rettung von Menschenleben steht im Vordergrund. Es zeichnet sich ab, dass wir noch jahrelang mit den Folgen der Pandemie kämpfen werden. Eine weitere Finanz- und Staatsschuldenkrise gilt es zu vermeiden. Desto wichtiger ist es die dringend notwendigen Reformen anzustoßen. Die deutsche Bundesregierung muss während der Ratspräsidentschaft ihrer Aufgabe als Vermittlerin gerecht werden. Die Pandemie darf nicht als Ausrede für ein Verharren im Status quo benutzt werden.

Ein "Weiter so" könnte für die Europäische Union den Todesstoß bedeuten. Viel zu oft wurde in der Vergangenheit über das deutliche Scheitern der EU hinweggegangen: Die Finanzkrise, die Migrationskrise und zuletzt das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Union. Sollten wir uns auch dieses mal nicht trauen, Reformen anzustoßen wird es eventuell einmal zu oft gewesen sein.

"Solidarität ist keine Einbahnstraße."

 Solidarität ist dabei das A und O: Und dabei spielt es keine Rolle, ob es die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten in der Coronakrise, oder die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten bei der Verteilung von Flüchtlingen ist. Bei beiden sind wir gescheitert. Es muss in der Europäischen Union klar sein, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Es gilt hier: Gemeinsam sind wir stärker. Und deswegen brauchen wir dringend einen europäischen Pakt für Migration und Asyl. Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass unsere europäischen Partner in Griechenland und Italien mit dem Problem allein gelassen werden und einige wenige Regierungschefs seit Jahren jede gemeinsame Lösung blockieren. 

"Europäische Werte verteidigen."

 Solidarität haben auch die europäischen Bürger*innen verdient. Mitgliedsstaaten, die europäische Grundwerte mit Füßen treten und Freiheitsrechte einschränken oder die Pressefreiheit beschneiden, müssen auf eine wehrhafte Europäische Union treffen. Notfalls müssen Zahlungen einbehalten werden. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sollte als Bedingung in den EU-Haushalt aufgenommen werden.

Zu den Europäischen Grundwerten gehört auch die Reisefreiheit. Sie sichert den zügigen Warenaustausch und bringt die Menschen einander näher. Es ist nahezu unerträglich, dass diese europäische Errungenschaft ausgesetzt ist. Und die Bundesregierung sollte nun auch die ersten Woche dazu nutzen, die Vereinbarungen aus dem Schengener Abkommen wieder herzustellen. Überall.

"Die Zukunft des Projekts Europäische Union wird maßgeblich davon abhängen, wie Europa durch diese Krise kommt."

Deutschland hat die Chance und die Verantwortung, in der Ratspräsidentschaft diese Weichenstellungen entscheidend zu prägen. Nicht zuletzt durch ihre enge Verbundenheit zur Kommissionspräsidentin. Europa hat mehr verdient, als eine Ratspräsidentschaft, die nur Stillstand verwaltet und den Status Quo bewahrt. Wir brauchen deshalb eine ambitionierte deutsche Ratspräsidentschaft, die beides ist: Krisen- und Zukunftspräsidentschaft. 

Die Unterstützung unserer liberalen Renew-Fraktion bei einer mutigen zukunftsweisenden Agenda, die die Europäische Union in das 21. Jahrhundert befördert, wäre der deutschen Bundesregierung sicher.

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